Heimatlexikon Thaleischweiler-Fröschen – 1997- "Mach es wie die Sonnenuhr...

„Mach es wie die Sonnenuhr,zähl die heit'ren Stunden nur ...”
Alte Sonnenuhren im Kreis Pirmasens und im Zweibrücker Land
Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1997 - Von Johannes Stirnmann, Kusel

 

Sonnenuhren-600

Hierbei sei noch zu vermerken, daß es in der Pfalz besondere Richtlinien zur Einteilung des Tages gab. Um 1370 lag der Beginn des vom Pfalzgrafen für Neustadt festgelegten Gerichtes dienstags, „wenn man die erste oder Primglocke auf dem Stift läutet". Demnach waren im 14. Jahrhundert die Horen auch für die nichtgeistliche Welt noch maßgebend. Die aus dem Jahre 1454 stammende Ordnung für das Augustinerkloster in Hördt gibt die Zeit dann bereits nach dem kanonischen Horen und nach Stunden an: „Im Sommer soll die Mette schlagen vier Uhr morgens, im Winter aber um fünf Uhr beginnen, und dieselbe eine Stunde vorher geläutet werden ... Im Sommer um sieben Uhr und im Winter eine Stunde später soll die Prim gesungen und jeden Tag eine Messe gelesen werden ..."
Vielen Quellen können wir entnehmen, daß im 16. Jahrhundert im weltlichen Bereich nur noch die Stunde als Zeitmaß angewendet wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Kanzlei-Ordnung Herzog Wolfgangs von Zweibrücken vom 2. Januar 1559:
. Undt sollen die Copisten undt andere Schreiber Sommers Zeit von Ostern biß uff Michaelis alle morgen von 6 biß 10 Nachmittag von 12. biß 5. Winters Zeit aber von Michaelis biß Ostern, Morgens von 7. biß umb 10. Nach Mittag von 12. biß umb 5, in der Canzley sich mit schreiben fleißig undt gehorsamlich gebrauchen und finden lassen. .
Hieraus ist zu ersehen, daß die Einteilung in Sommer- und Winterzeit als auch die Lage der „Mittagsstunde" vor 12.00 Uhr schon im Mittelalter bekannt war.
Aber nicht nur an Kirchen, sondern auch an Bürgerhäusern und Scheunen, wie hier zum Beispiel an der Scheune der Kneispermühle im Wallhalbtal findet man Sonnenuhren. Die römischen Ziffern sind allerdings leider schon sehr stark verwittert. Diese Halbkreisuhr entstand vermutlich um 1700.
„Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heit'ren Stunden nur ...", lautet ein Schlager der dreißiger Jahre. Er war direkt, wenn auch vielleicht unbewußt, dem Sinnspruch auf einer altbabylonischen Sonnenuhr nachempfunden: Wenn die Sonne scheint, dann geht sie, aber wenn es regnet, dann steht sie.
So ist das auch in Pirmasens, wenn man vor der Lutherkirche steht. Viele wissen gar nicht, daß hier über dem Eingang der Kirche eine Sonnenuhr angebracht ist. Seit 1762 zeigt hier schon eine Sonnenuhr die Zeit an. Die ursprüngliche Uhr wurde 1949 entfernt und 1960 durch einen Sandsteinblock ersetzt. Auf diesem Block befinden sich in einem Kreisausschnitt Stunden- und Halbstundenteilungen mit arabischen Ziffern von 9-15. Der Schattenwerfer ist ein erdachsparalleles Dreieck. Die noch intakte Sonnenuhr trägt die Inschrift „Höfele Obrist, 1762 W".
Sicherlich gibt es noch zahlreiche weitere Sonnenuhren im Kreisgebiet von Pirmasens und dem Zweibrücker Land zu entdecken. Eine intakte Sonnenuhr sei hier allerdings noch erwähnenswert: Es ist die überdimensionale Sonnenuhr am Gebäude der alten Villa „Hochburg" in Zweibrücken, eine auf Putz aufgebrachte Sonnenuhr. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte man die Sonnenuhren neu als fassadenschmückendes Element. In dieser Zeit entstand auch diese originelle Sonnenuhr. Allerdings hat man sie als Zeitmesser nietrichtig genutzt.
Zeit ist nicht nur für die moderne Physik und Einsteins Relativitätstheorie etwas höchst Un-Exaktes und immer abhängig von allerlei Voraussetzungen (wo nichts ist, gibt es auch keine Zeit. Oder: Zeit ist eine Funktion des Raumes; oder derlei). Zeit ist Maß des Ablaufs wie man ihn erlebt. (Das mögen gewiß Spitzfindigkeiten sein, aber ein Körnchen Wahrheit ist darin.) Und deshalb war die Zeit für die Menschen früher auch etwas anders, als für uns heute mit unseren Digital- und Quarz- und Atom- und Caesiumuhren, unseren Fahrplänen und Tagesschau-Uhren, unseren Stechuhren im Betrieb und den Poststempelfristen.
Freilich, man hatte in der Tat andere Zeitbegriffe, seinerzeit ... „Petersilie, Zwiebel, Spinatblätter etc. streichest du auf den fertigen Hasenbraten, den du nochmals zweien Vaterunser lang in den Ofen schieben sollst", so lautet die Zeitangabe noch 1837 im Altadeligen Bayerischen Kochbuch für alle Stände. Man verabredete sich auf ein Pfeifchen und stand auf „wenn der Hahn krähte", war es die Nachtigal und nicht die Lerche, wußte Romeo, daß der Tag noch nicht abgebrochen war, und wenn „dem hirt de Millen nemi klappern" (wenn man die Mühlen nicht mehr klappern hörte), war es im sächsischen Raum Abend geworden.
Solche oder weniger vage Angaben erwiesen sich im Alltag als überaus nützlich. Wer es genau wissen wollte, hatte es bis ins 19. Jahrhundert hinein gar nicht so einfach.
Zwar hatten die meisten Reichsstädte und Fürstentümer von der Antike das 12-StundenSystem für jeweils Tag und Nacht übernommen. Doch da man von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang rechnete, wurden die Stunden von Tag zu Tag länger beziehungsweise kürzer. So hatten Tag und Nacht stets eine wechselndeAnzahl von Stunden. Im Sommer kam man am längsten Tag auf 16, während die Nacht nur acht hatte, im Winter war es umgekehrt. Vor allem die Reisenden und Händler wußten kaum, welche Stunde geschlagen hatte.
Viele führten komplizierte Umrechnungstabellen mit sich, um sich zurechtzufinden, denn es galten doch in den verschiedenen Ländern wieder ganz andere Zeitmaßstäbe.
Auf alle Fälle war es lästig, und so erinnerte man sich dankbar an eine Uhr, die überall genau ging, gleichgültig, auf welchem Breitengrad man sich befand: die Sonnenuhr!
Wann und wo die ersten Sonnenuhren entstanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Etwa um 1500 v. Chr. verwendete man in Ägyptengekerbte Latten. Hiermit maß man die Länge eines Schattens ab. Da sich im Laufe des Tages.die Schattenlänge veränderte, erhielt man eine verbindliche Zeitangabe.
Der Schritt von Schattenskala zur Sonnenuhr, die nicht mehr die Länge, sondern die Lage des Schattens mißt, war bedeutend. Vermutlich ist dieses Wissen von den Babyloniem zu den Griechen gelangt. Jedenfalls brachte Valerius Messala als Kriegsbeute aus derGriechenstadt Catania im Jahre 262 vor Chr. eine Sonnenuhr mit nach Rom.
Nach dem Untergang Roms tauchten die Sonnenuhren bei uns erst wieder an den Südseiten der romanischen Klöster und Kirchen auf, denn die Mönche wollten einigermaßen pünktlich zu ihren Andachten kommen.
Über Jahrtausende blieb die Sonnenuhr der beliebteste Zeitmesser, auch wenn er nur die „heiteren Stunden", die sonnigen, anzeigte.
Damit sich der Schatten — so die Technik der Sonnnenuhr — einigermaßen auf der flachen Oberfläche der Sonnenuhr zeitlich genau verschiebt, mußte der Stab parallel zur Erdachse angebracht werden. Nachdem diese kosmischen Zusammenhänge erkannt worden waren, erlebte die Uhrmacherzunft im 15. Jahrhundert eine wahre Blütezeit.
Notwendig zur Zeitabstimmung blieb sie bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, sei es als öffentliche Uhr an Gebäuden, als freistehende Uhr auf Plätzen und in Parkanlagen, oder auch als kleine tragbare Reisesonnenuhr. Letztere konnte als kompliziertes wissenschaftliches Instrument Anfang des 16. Jahrhunderts zunächst nur von den „Kompaßmachem" hergestellt werden. Doch nach und nach wurden Berechnungen und Fertigung der Sonnenuhren in vielen Büchern und Abhandlungen so eingehend beschrieben, daß es Goldschmieden, Zimmerleuten, Schlossern und vor allem Steinmetzen im 17. und 18. Jahrhundert möglich war, zumindest die einfachen Modelle anzufertigen und den großen Bedarf zu decken.
Sonnenuhren gerieten später in die Hände der Baumeister und Handwerker, sogar die Künstler nahmen sich der Sonnenuhren an. So entwickelte sie sich bald vom Gebrauchsgegenstand zum Schmuckstück. An hohen Türmen zeigten sie, damit sie jeder sehen konnte, die Zeit an, sowie auf öffentlichen Plätzen, in fürstlichen Parkanlagen und bunten Giebelwänden. Aber auch die kostbarste Sonnenuhr nützte nichts, wenn die Sonne nicht schien. Allerdings war die Sonnenuhr so verbreitet, das man selbst, als die Räderuhr schon längst erfunden war, unter Uhr oder „Örlin" immer noch diese geräuschlosen Zeitmesser verstand.
Eine Attraktion waren vor allem die Taschensonnenuhren. Die zusammenklappbaren „astronomischen Taschenbestecke", wurden nach ganz Europa verkauft. Viele waren mit raffinierten Extras ausgestattet, wie zum Beispiel einem zusätzlichen Kompaß, der Reisenden half, den Schattenanzeiger je nach Breitengrad richtig einzustellen. Billig waren die kunstvollen Schattenwerfer jedoch nicht.
In unserer Zeit, da fast jedermann. eine Armbanduhr oder Taschenuhr trägt und mechanische oder elektrische Uhren aufgestellt sind, kann man sich kaum noch vorstellen, daß selbst Jahrhunderte nach der Erfindung der Räderuhr die Sonnenuhr immer noch der
weitverbreiteste und genaueste Zeitmesser war. Trotz der seit dem 13. Jahrhundert in Gebrauch befindlichen Räderuhren waren die Sonnen- und Sternenuhren auch damals noch immer die einzigen verläßlichen Instrumente, mit denen die Zeit präzise ermittelt werden konnte. Die Turmuhren gingen noch immer sehr ungenau und mußten häufig gerichtet werden. Diese nicht einfache Aufgabe oblag jeweils einem sonnenuhrkundigen Mann, in den Städten einem Uhrenrichter, auf den Dörfern dem Schulmeister, beziehungsweise dem Schuldiener oder Glöckner, der die Räderuhren richten mußte. Somit ist es auch nicht verwunderlich, daß noch an den meisten Schulgebäuden — heute oft als optische Zierde - riesige Sonnenuhren angebracht wurden.
Heute sind die meisten dieser alten Zeitmesser verschwunden, da weder Bedarf noch Nutzen besteht und weite Bevölkerungskreise wenig Verständnis und Interesse für die oft recht unscheinbaren Instrumente aufbringen. Zerstörung und Beschädigung durch Umwelt und Witterungseinflüsse sowie unsachgemäße Restaurierungen von Gebäuden ohne Rücksicht auf „Details" werden einfach hingenommen.

Die wohl älteste Sonnenuhr in unserem Kreis, dürfte in Burgalben, an der prot. Kirche angebracht sein. Man kann davon ausgehen, daß die an der Kirche eingemeißelte Jahreszahl 1412 mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Entstehung dieser Sonnenuhr an der protestantischen Kirche in Burgalben angeben. Die feinen Strahlen derTeilungslinien enden an einem doppelten Halbkreis, in denen die römischen Ziffern in gotischer Schreibweise eingeschlagen sind. Die beiden äußeren Zahlen fehlen. Neben dem hohen Alter sind es die schönen Ziffern, die der Sonnenuhr von Burgalben einen besonderen Wert verleihen.
Aber auch in Niederschlettenbach, am oberen Teil des Kirchturmes, befindet sich noch eine Sonnenuhr, die aus dem 14. Jahrhundert stammen soll. Diese Sonnenuhr ist in einem Eckstein am Turm der Kirche in Niederschlettenbach eingemeißelt. Sie erinnert an die alten Sonnenuhren in England, die gerne als Meßuhren bezeichnet werden. Eine ähnliche Sonnenuhr befindet sich an der prot. Kirche in Großbundenbach. Zwar sind die Strahlen der Teilung noch gut zu sehen, doch der Zahn der Zeit hat auch hier einiges angerichtet. So sind zum Beispiel einige Buchstaben der Inschrift „Meister (?) / niclaus (?) / von Offe / nheim" leider stark verwittert und nicht mehr zu bestimmen. Diese Sonnenuhr ist in 24 gleiche Teile aufgeteilt. Die Teilungslinien, gehen über den Doppelkreis hinaus. Durchkreuzung bei den Linien 0, 6, 12 und 18 Uhr. Die Sonnenuhr ist ohne Ziffern und hat einen Durchmesser von ca. 50 cm.
Die Sonnenuhr, die sich auch bei uns immer wieder einmal behaupten kann, ist wohl das älteste bekannte Hilfsmittel, um die Zeit zu messen.
Die Lehre von den Sonnenuhren, fachlich richtig „Gnomonik" genannt, hat viele Epochen durchgemacht und basiert dabei stets auf sorgfältigen Beobachtungen.
Schon zu Zeiten der Ägypter und Babylonier (vor etwa 4.000 Jahren) gab es astronomische Instrumente, die auch den Ansprüchen unseres technisch hoch entwickelten Zeitalters gerecht werden können, wie die Angabe von „Weltzeit" und „Normalzeiteinheiten". Der Schatten war das erste Zeitmeßgerät des Menschen zur Feststellung der Tagesstunden. Man bediente sich eines senkrechten Stabes, der bei Sonnenschein einen Schatten auf den Boden warf. Allerdings maß man noch nicht in Zeiteinheiten, so wie wir es heute kennen, sondern man ging von der Länge des Schattens, den der Stab warf, aus. Vom Morgen an wurde der Schatten des Stabes nach und nach kürzer, bis er um die Tagesmitte herum ein Minimum erreichte und von da ab wieder wuchs, bis Sonnenuntergang.
In Thaleischweiler finden sich an der Kirche gleich zwei Sonnenuhren. Es ist eine, von 47 cm Durchmesser, in Sandstein eingeritzte Sonnenuhr. Sie ist eine der sehr seltenen frühen Sonnnenuhren. Genau über ihr wurde — mehr als 200 Jahre später — eine weitere Sonnenuhr angebracht. Diese versucht bereits, die Tagesstunden anzugeben. Dagegen kann die ältere Uhr (etwa um 1600) nur für kirchliche Stundengebete, die sogenannten Horen, dagewesen sein. Da beide Thaleischweilerer Uhren exakt untereinander liegen, ist es möglich, anhand dieser Uhren die unterschiedliche Art der Zeitangabe zu demonstrieren. Die Wiederherstellung der Uhren für diesen äußerst interessanten Vergleich wäre in dieser Form wohl einmalig.

 

 

 

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