Heimatlexikon Thaleischweiler-Fröschen – 1974- Schlusssrich unter das Einnehmereiwesen

Schlußstrich unter das Einnehmereiwesen
Die Pfalz um eine Eigenart ärmer

Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1974 - VON ROBERT BAUMANN


Unter dieser Schlagzeile war in der Tageszeitung ,,Die Rheinpfalz" vom 3.1.1973 zu lesen, daß am 31. Dezember 1972 achtundachtzig Einnehmereien aufgelöst worden sind und damit ein „Reservat", das sich in der Pfalz 174 Jahre lang bewährt hatte, sein Ende gefunden hat.
Von der Auflösung betroffen wurden in den Landkreisen Pirmasens-Zweibrücken 11 Einnehmereien (Contwig, Dahn, Pirmasens, Rodalben, Rumbach, Schopp, Simten, Thaleischweiler, Waldfischbach, Wallhalben und Zweibrücken-Hornbach).
Dieses für die pfälzischen Gemeinden, besonders aber auch für den Berufsstand der Steuer- und Gemeindeeinnehmer einschneidende Ereignis veranlaßt mich, die geschichtliche Entwicklung und das Wesen dieses pfälzischen „Reservatsrecht" aufzuzeigen und an den Schluß meiner Betrachtung eine Würdigung der Einnehmereieinrichtung zu stellen.
Geschichtliche Entwicklung
Der Ursprung der Einrichtung liegt in der französischen Gesetzgebung. Als im Jahre 1792 Frankreich dem deutschen Kaiser Franz II. und dessen Verbündeten (darunter auch Bayern) den Krieg erklärt hatte, überschritt ein preußisches Heer die französische Grenze und drang in die Champagne ein. Nach der unglücklichen Kanonade von Valmy am 25.9.1792 mußten die Preußen aber den Rückzug antreten und noch im September und Oktober 1792 besetzten die Franzosen die Rheinlande. Auf dem linken Rheinufer wurden neben der am 22. September 1792 beginnenden neuen Zeitrechnung der französischen Republik auch deren Gesetze und Verwaltung eingeführt.
Das erste Gesetz, welches das Gemeinderechnungswesen und die Steuererhebung regelte, war das vom 11. Frimaire VII (1.12.1798). Hiernach waren für alle Gemein- den Steuereinnehmer zu bestellen, die vom Staatsoberhaupt ernannt wurden; auf Vorschlag der Präfekten konnte auch für mehrere Gemeinden ein geneinsamer Steuereinnehmer bestellt werden. Die nach dem Sturze Napoleons L und dem 1. Pariser Frieden vom 30./31. Mai 1814 als oberste Verwaltungsbehörde für die befreiten Gebiete zwischen dem Rhein und der französischen Grenze eingesetzte K.K. Österreichische und K. Bayerische Landesadministrationskommission änderte an den seit der Besetzung durch die Franzosen in diesen Gebieten bestehenden Verhältnissen nichts. Eine Änderung hat sich in der Pfalz auch nicht ergeben, als am 14. April 1816 die Pfalz an Bayern überging. Durch die „Instruktive Verordnung über die Erhebung und Eintreibung der direkten Steuern" vom 28. Juli 1818 wurde die Einrichtung der Steuer- ünd Gemeindeeinnehmer in ihrer bisherigen Wesensart durch bayer. Landesrecht endgültig festgelegt. Die „Allerhöchste Verordnung" vom 23. August 1847 regelte auch die Vorbedingungen für die Anstellung zum Steuer-und Gemeindeeinnehmer. Voraussetzung hierfür war die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung, die besonders umfangreich und schwierig war. Sie erforderte neben „völliger Vertrautheit mit den einschlägigen Gemeindegesetzen, Haushalts-, Kassen-und Rechnungsvorschriften, Steuergesetzen und Sonderbestimmungen, auch eingehende Kenntnisse des gesamten Verwaltungs- und des Bürgerlichen Rechts mit seinen Nebenvorschriften". Die Prüfungen fanden nur nach „Bedarf" statt, seit 1900 wurden insgesamt 10 Prüfungen, die letzte im Jahre 1969, abgehalten.
Die deutsche Gesetzgebung hatte sich also mit der Einrichtung der Steuer- und Gemeindeeinnehmer schon recht frühzeitig befaßt; die grundlegende Regelung in den französischen Gesetzen fand auch in der deutschen Gesetzgebung stets Bestätigung und weitere Vertiefung. So hatte man die Einrichtung später auch in der pfälzischen Gemeindeordnung von 1869, der Bayer. Gemeindeordnung von 1927, im „Dritten Reich" in der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 und nach dem Zusammenbruch 1945 in der Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz gesetzlich verankert.
Aus dem "receveur" oder „percepteur" der französischen Gesetzessprache war der deutsche „Steuer- und Gemeindeeinnehmer" geworden.
Tätigkeitsgebiet der Steuer- und Gemeindeeinnehmer
Die Hauptaufgabe des Einnehmers lag auf dem Gebiet des gemeindlichen Kassen-und Rechnungswesen. Er war allein und ausschließlich zuständig zur Erledigung der gesamten Kassen- und Rechnungsgeschäfte der Gemeinden und der gemeindlich verwalteten Stiftungen, zur Erhebung und Verrechnung der gesamten Einnahmen, zur Besorgung und Verrechnung der Auszahlungen und zur Rechnungsstellung. Darüber hinaus war er der sach- und fachkundige Berater des Bürgermeisters bei der Aufstellung der Haushaltspläne und in allen finanziellen Gemeindeangelegenheiten. Bis zur Reichsfinanzreform im Jahre 1920 war der Einnehmer auch zuständig und voll verantwortlich für den Eingang aller direkten Staatssteuern (Grund-, Haus-, Einkommen- und Vermögenssteuern). Mit der Einführung der Reichsfinanzreform wurde dieser Aufgabenkreis allmählich beträchtlich eingeschränkt. Die Entwicklung führte schließlich dazu, daß auf dem Gebiet der Erhebung der früheren Reichssteuern, die noch um die Erhebung der Umsatzsteuer vermehrt war, die Einnehmer nur noch als Kassenhilfsstellen und später als Annahmestellen des Finanzamts tätig waren.
Auch für andere Körperschaften veranlagten und erhoben die Einnehmer Beiträge und Gebühren, wie z. B. Beiträge zu Berufsgenossenschaften, zur Land- wirtschaftskammer, zu Innungen, Brand- und Hagelversicherung, Tierseuchenkasse usw.
Rechtsstellung dir Steuer- und Gemeindeeinnehmer
Die Steuer- und Gemeindeeinnehmer waren ursprünglich Staatsbeamte. Sie wurden von der Staatsregierung ernannt, die auch die Einrichtung, insbesondere die Befugnisse, die Voraussetzungen der Anstellung und die Bezüge der Einnehmer regelte. Schon in der ersten Zeit des Bestehens der Einrichtung erhielt der Einnehmer nicht etwa ein festes Gehalt, sein Einkommen bestand vielmehr in bestimmt festgesetzten Hundertsätzen der von ihm vereinnahmten staatlichen und gemeindlichen Gefälle. Weit über ein Jahrhundert hindurch wurden diese Hebgebühren den einzuziehenden Beträgen hinzugerechnet und mit den Schuldigkeiten eingezogen, dem Staat selbst entstanden dadurch für die Einrichtung keinerlei Kosten. Das sich aus den Heb-gebühren ergebende Diensteinkommen war jedoch kein „Reinverdienst" des Steuer-und Gemeindeeinnehmers. Der Einnehmer mußte hieraus nicht nur seine Geschäftszimmereinrichtung beschaffen, sondern auch den gesamten Dienstaufwand einschließlich der Angestelltengehälter bestreiten. Der Einnehmer hatte weiter die Stellvertretungskosten bei Beurlaubung und Krankheit sowie Auslagen, die auswärtige Dienstgeschäfte erforderlich machten, selbst zu tragen.
Das Aufblühen von Handel und Industrie und das damit verbundene Anwachsen der einzuhebenden öffentlichen Abgaben haben dazu geführt, daß das Besoldungssystem der Einnehmer, so wie es bisher bestand, nicht länger haltbar war. Die Hebgebühreneinnahmen, die doch die Grundlage für die Berechnung des Einkommens bildeten, waren in einzelnen Einnehmereibezirken, insbesondere in solchen, zu denen vorwiegend handel- und industriebetreibende Städte und Gemeinden gehörten, so hoch geworden, daß das Einkommen in keinem Verhältnis mehr zur Arbeitsleistung und Verantwortung der Einnehmer stand. Darauf soll auch eine originelle bayer. Verfügung aus dem Jahre 1906 zurückzuführen sein,  die bestimmte, daß „kein Einnehmer mehr verdienen dürfe, als ein bayer. Staatsminister".
Bei anderen Stellen waren die Hebgebührenerträge so minimal, daß der Einnehmer und seine Familie nur die allernotwendigsten Lebensbedürfnisse damit befriedigen konnten. Schon lange suchte man daher nach einer von der bisherigen Methode nicht allzusehr abweichenden, aber doch gerechten Regelung der Einkommensvethältnisse. Man hatte einen Weg gefunden durch die Bildung einer „Ausgleichskasse für die Steuer- und Gemeindeeinnehmer der Pfalz", in die sämtliche Aufbringungsanteile der Gemeinden, die Hebgebühren aus Nebengefällen und die Landespauschale (für die Einhebung von Landessteuern) flossen und aus der die Einnehmer, eingeteilt in 4 Gehaltsklassen, ihre Bezüge erhielten.
Diese 1927 getroffene Regelung hatte sich bewährt, unklar blieb aber nach wie vor die rechtliche Stellung der Einnehmer. Denn diese wurden zwar im Namen des Staates ernannt, aber weder vom Staat bezahlt noch versorgt. Die Angestellten der Einnehmereien standen in einem privaten Dienstverhältnis zum Steuer- und Gemeindeeinnehmer, also nicht im öffentlichen Dienst — ein Zustand, der auf die Dauer nicht mehr tragbar war.
Eine grundlegende Neuordnung brachte dann die von der Landesregierung am 14. 1. 1957 erlassene „Einnehmereiverordnung". Anstellungskörperschaft für die Einnehmer und die Angestellten wurde der „Pfälz. Gemeindekassenverband, K. d. ö. R." unter dem Vorsitz des Regierungspräsidenten. Die Einnehmer verloren damit zwar ihre Landesbeamteneigenschaft, eine bisher bestandene Rechtsunsicherheit wurde aber dadurch beseitigt.
Würdigung der Einnehmereieinrichtung
Bei der Beratung der Bayer. Gemeindeordnung 1927 hat sich der damalige Staatsminister Stützel zur Einrichtung der Steuer- und Gemeindeeinnehmer wie folgt geäußert „Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, daß tatsächlich das Institut der Einnehmer in der Pfalz eine Einrichtung ist, die jeder, der sie näher kennt, nur mit höchstem Lob bedenken wird, und daß für den, der sie kennt, der Wunsch besteht, daß die Einführung dieses Instituts auch im rechtsrheinischen Bayern ermöglicht werde, darüber kann kein Zweifel bestehen. Diesen Wunsch wird jeder haben, der das Institut kennt, ob er Pfälzer oder Nichtpfälzer ist. Dieses Institut sorgt nicht nur dafür, daß die Steuern und Umlagen besser hereinkommen, es sorgt auch dafür, daß sie in einer Art und Weise hereinkommen, die den Bedürfnissen und der Wirtschaftslage der Bevölkerung entspricht. Es besteht zwischen dem Einnehmereiinstitut und der Bevölkerung ein wirkliches Vertrauensverhältnis.”
Auch die Kommentare zur Bayer. Gemeindeordnung von Helmreich Rock, Laforet, Woerner und Stößel-Stenger sind einmütig in ihrem Urteil über die Einnehmer und sprechen von einer Einrichtung, die sich „bestens bewährt" hat.
Von der Güte der. Einrichtung waren u. a. auch zwei namhafte Politiker des Landkreises Pirmasens überzeugt: der 1940 verstorbene Bürgermeister Josef Matheis, der 28 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde Rodalben leitete, dem bayer. Landtag als Abgeordneter angehörte und auch Vorsitzender des Pfälz. Gemeindetages war; und der derzeitige Bürgermeister und Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz, Paul Durm. Bei der Einwohnerzahl von Rodalben wäre es schon frühzeitig möglich gewesen, aus dem Verband der Steuer- und Gemeindeeinnehmerei auszuscheiden und eine eigene Kasse zu errichten. Aber sowohl Matheis als auch Durm sprachen sich stets dagegen aus und brachten in Eingaben immer wieder zum Ausdruck, daß es im wohlverstandenen Interesse der Gemeinden liege, daß der Zustand der Pf älz. Steuer- und Gemeindeeinnehmereien unverändert erhalten bliebe. Bürger- meister Durm gehörte seit Bestehen des Pfälz. Gemeindekassenverbandes bis zu seiner Auflösung am 31. Dezember 1972 dem Personalausschuß des Verbandes als Mitglied an und hat die Belange nicht nur der Gemeinden, sondern auch der Einnehmer und der Angestellten in hervorragender Weise vertreten. Für seinen Einsatz sei ihm auch von dieser Stelle aus Dank gesagt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Artikel der „Rheinpfalz", der vor genau 20 Jahren geschrieben wurde und den ich auszugsweise an den Schluß meiner Betrachtung stellen möchte:
„In fast allen pfälzischen Gemeinden ist der „Einnehmer" nicht nur eine bekannte, sondern eine geradezu beliebte Persönlichkeit. Da nur sehr wenige Menschen gern Steuern zahlen, muß es damit wohl eine besondere Bewandtnis haben. In der Tat ist in der Pfalz der „Steuer- und Gemeindeeinnehmer" der Mann, der nicht nur Jahr für Jahr in den Dörfern und kleinen Städten mit allen Männern und Frauen in Verbindung ist, die irgendwelche Steuern und sonstige „Gefälle" und „Nebengefälle" zu zahlen haben, sondern darüber hinaus ihr Vertrauensmann und gern gehörter Berater bei den verschiedensten finanziellen Aktionen. Davon konnten wir uns wieder einmal überzeugen, als wir in einer Gemeinde des Landkreises viele Dutzende von Leuten zum Bürgermeisteramt wandern sahen, um am „Hebtag" des Steuer- und Gemeindeeinnehmers irgendwelche Abgaben zu zahlen.
Um so mehr wundert man sich, daß vor ein paar Monaten jemand allen Ernstes in Mainz auf den merkwürdigen Gedanken gekommen war, den pfälzischen Steuerzahlern die bequeme Möglichkeit zu nehmen, ihre Staatssteuern wie bisher gewissermaßen „vor der Haustür" zahlen zu können. „Die Staatszeitung" hat in diesen Tagen die ministerielle Entscheidung verkündet, daß alles beim alten bleibt." -
Ja — 20 Jahre ist es nochmals beim alten geblieben, aber dann mußte eine „altbewährte" Einrichtung, die sich während ihres Bestehens auch im steten Wechsel der Staatssysteme als mustergültig bewährt hatte, im Zuge der „Reformen" (13. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung vom 1. 3. 1972) weichen. Denn man wollte durch die Bildung von Verbandsgemeinden einheitliches Recht im Lande Rheinland-Pfalz schaffen. Betrachtet man nun heute die einzelnen Gebilde der Verbandsgemeinden und vergleicht sie mit den ehemaligen Einnehmereibezirken, so kann man feststellen, daß in der Pfalz schon seit Jahrzehnten der Reform nach heutigen Gesichtspunkten weitgehend Rechnung getragen war. Und ich kann dem Herrn Regierungspräsidenten nur zustimmen, wenn er in der letzten Sitzung des Pfälz. Gemeindekassenverbandes sagte, „die Pfalz sei durch die Auflösung der 88 Einnehmereien um eine Eigenart ärmer geworden, das Einnehmereiwesen habe über das Institutionelle hinaus in ' 174 Jahren das gemeindliche Leben und damit das Geschick der Pfalz wesentlich mitgeprägt".
Möge der Wunsch des Herrn Regierungspräsidenten, daß sich die Verbandsgemeinden, in deren Verwaltungen die aufgelösten Einnehmereien eingegliedert wurden, ebenso segensreich auswirken mögen, wie dies das Einnehmereiwesen der Pfalz in 174 Jahren getan habe, in Erfüllung gehen!

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